1320: Die Fensterstifter – Memoria und Machtpolitik

Die gotischen Fenster der Mauritiusrotunde sind Teil eines gemeinsamen Stifterunternehmens. Sie wurden zeitgleich mit dem 1317 vom Dompropst Konrad von Klingenberg neu dotierten Marienaltar in der Ostkapelle der Rundkirche gestiftet. Zur Partei der Klingenberger, einem einflussreichen Adelsgeschlecht am Konstanzer Bischofshof, gehörten auch die Stifter der Farbverglasung. Sie sind in kleinen ... mehr anzeigenDie gotischen Fenster der Mauritiusrotunde sind Teil eines gemeinsamen Stifterunternehmens. Sie wurden zeitgleich mit dem 1317 vom Dompropst Konrad von Klingenberg neu dotierten Marienaltar in der Ostkapelle der Rundkirche gestiftet. Zur Partei der Klingenberger, einem einflussreichen Adelsgeschlecht am Konstanzer Bischofshof, gehörten auch die Stifter der Farbverglasung. Sie sind in kleinen Gehäusen unterhalb der Kreuzigungsgruppe im Klingenbergfenster zu sehen: Links kniet am bedeutenderen Stifterplatz Konrad Habernaß, rechts von ihm Ulrich von Klingenberg.

Die gemeinsame Abbildung im Fenster demonstrierte die Beziehung Habernaß‘, der Kantor an St. Johann war, zu den beiden Klingenbergern. Als Gruppe schrieben sie ihre kollektive Identität und Memoria in den Sakralraum ein und betrieben somit auch Machtpolitik. In diesen Kontext sind auch die unter Bischof Heinrich II. beginnenden Bauarbeiten an der Rotunde und im Umfeld des Kreuzgangs einzuordnen. Mit ihnen wollte das Domkapitel seinen eigenen Bezirk am Münster aufwerten. Zugleich betätigten sich nun hier besonders die Angehörigen der Klingenbergpartei als Stifter und bildeten so einen starken Gegenpol zum gegnerischen Bischof Bevar (1307 – 1318).

Die weit von den Rezipienten entfernten Stifterfiguren, die den Gekreuzigten anbeten und ihm nahe sind, kennzeichnen deren privilegierte Stellung. Durch die Darstellungen konnten sie an der Heiligkeit des Ortes teilhaben und zugleich die hier ein- und ausgehenden Geistlichen daran erinnern, Fürbitten und Gebete für ihr Seelenheil abzuhalten. So wird die Rotunde zu einem elitären Memorialort – instrumentalisiert für religiöse, soziale und machtpolitische Zwecke. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 2 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Der Gekreuzigte des Klingenbergfensters von 1317, umgeben von Maria und Johannes. Diese Kreuzigung im sogenannten ‚süßen Stil‘ gilt als Meisterwerk der Konstanzer Glasmalerei der Hochgotik und lässt annehmen, dass die Werkstatt von einem in Straßburg geschulten Meister geführt wurde.

    Der linke Stifter, Konrad Habernaß, pflegte enge Kontakte zum Domkapitel und war Anhänger der Klingenbergpartei. Da er 1318 starb, muss das Klingenbergfenster vor seinem Tod, sehr wahrscheinlich zusammen mit Konrad Klingenbergs Altar-Neuausstattung 1317 gestiftet und angefertigt worden sein. Der rechte Stifter, Ulrich von Klingenberg, ist mit seinem Wappen und in prächtigem Gelb dargestellt. Er war vermutlich ein Vetter des ehemaligen Bischofs Heinrich II. von Klingenberg (1293 – 1306), der die Machtposition seiner Familie begründet hatte.

  • Abb. 2 von 2 - Bildquelle: Katrina Weißer

    Der Marienaltar in der östlichen Seitenkapelle der Mauritiusrotunde wurde 1317 von Dompropst Konrad von Klingenberg neu dotiert. Er kann als wichtige liturgische Kultstätte beim Hl. Grab angenommen werden, an der auch Seelenmessen für den reichen und einflussreichen Stifter gelesen wurden. Dieser wurde sogar 1318 zum Bischof gewählt. In der Stiftungsurkunde wird der Altar als bei dem Heiligen Grab gelegen, „apud dominicum sepulchrum“ beschrieben und somit ist dies zugleich die erste schriftliche Nennung des Grabbaus überhaupt. Die Kapelle des Marienaltars wird rechts und links sowie oberhalb von den gotischen Glasfenstern gerahmt. Alle Stiftungsobjekte der Klingenberg-Parteigänger befinden sich also in der östlichen Hälfte der Kirche. Über ihre räumliche Nähe wird auch die religiöse, soziale und politische Gemeinsamkeit der Stifter ausgedrückt.