1452: Wandmalerei

Erst vor rund 50 Jahren entdeckten Restauratoren an der Nordwestwand der Mauritiusrotunde unter mehreren Malschichten eine ungewöhnliche Wandmalerei. In ihrem gemalten Rahmen ist die Jahreszahl 1452 zu erkennen. Sie kann also Aufschluss geben über das Bildprogramm und die Nutzung der Kirche im Spätmittelalter.

Das Wandbild vereint in seinem illusionistischen Rahmenwerk zwei voneinander ...

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Erst vor rund 50 Jahren entdeckten Restauratoren an der Nordwestwand der Mauritiusrotunde unter mehreren Malschichten eine ungewöhnliche Wandmalerei. In ihrem gemalten Rahmen ist die Jahreszahl 1452 zu erkennen. Sie kann also Aufschluss geben über das Bildprogramm und die Nutzung der Kirche im Spätmittelalter.

Das Wandbild vereint in seinem illusionistischen Rahmenwerk zwei voneinander unabhängige Bildthemen auf raffinierte Weise. Das untere Bildfeld zeigt ein Ereignis aus der apokryphen Kindheitsgeschichte Marias: Ihre Eltern, Anna und Joachim, übergeben Maria dem Hohepriester im Tempel, damit sie als Tempeljungfrau Gott dienen kann. Im Giebel der gemalten Architektur darüber ist eine Gregorsmesse zu sehen: Der Legende nach erschien Papst Gregor dem Großen während der Messfeier Christus als seine Wundmale vorweisender Schmerzensmann. Daraufhin soll Gregor ein Abbild beauftragt und es mit einem Ablass versehen haben, der in der Folge abertausende Pilger nach Rom lockte. Als Darstellung der päpstlichen Vision wurden Gregorsmessen im 15. Jahrhundert überaus populär. Sie zählen zu den wichtigsten Ablassbildern des Spätmittelalters.

Ein versteckter Hinweis auf seine Identität hinterließ der Künstler im Rahmen der Darstellung: Es sind zwei gemalte Greifenklauen. Diese tauchen ebenfalls in der Wandmalerei von 1445 am Hachberg-Grabmal in der Margarethenkapelle des Münsters auf. Als gemalte Signaturen deuten sie auf den Steinmetz und Maler Heinrich Griffenberg, der 1440 Bürger von Konstanz wurde und ab 1454 Stadtbaumeister war. Beide Malereien versuchen sich in der Perspektivkonstruktion und dem illusionistischen Spiel mit Raumtiefe und Trompe-l’Oeil-Effekten. So testen und reflektieren sie ihre eigenen Darstellungsmöglichkeiten, was auf die auch in Konstanz angebrochene Epoche der Renaissance verweist . weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 2 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Die Seccomalerei von 1452 (ca. 2,97 x 2,17 m) mit dem Tempelgang und der Gregorsmesse. Im unteren Viertel der Bildfläche ist die Farbschicht zerstört und nur noch die Unterzeichnung zu sehen. Gregorsmessen waren ab dem Ende des 14. Jh. bis zur Frühen Neuzeit ein äußerst populäres aber kurzlebiges Phänomen, das mit dem Beginn der Reformation an Bedeutung verlor. Der Bildtypus wurde häufig von heimkehrenden Wallfahrern an Orten, welche die bedeutenden Pilgerwege nach Rom säumten, in Auftrag gegeben. So konnte bereits auf der Reise in die Ewige Stadt Ablass erlangt werden. Da Konstanz ein wichtiges Zwischenziel für Pilger auf dem Weg nach Rom war, kann dieser Stiftungsgrund auch hier angenommen werden.

  • Abb. 2 von 2 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Die Ausmalung des Grabmals Bischofs Otto von Hachberg (1410 – 1434) von 1445 in der Margarethenkapelle des Münsters zeigt die Kreuzigung Christi und darüber eine Erscheinung Mariens als Himmelskönigin Die Farbschichten sind teilweise stark zerstört. Die Malerei schafft ein räumliches Seherlebnis und spielt mit Trompe-l’Oeil-Effekten – ein Ausdruck der Kunstfertigkeit Griffenbergs. Neben den größten Künstlern dieser Jahrzehnte wie Konrad Witz gilt er als Wegbereiter einer neuen Zeit.