1452: Stifter und Funktion des Wandbildes

Besonders auffällig ist die Betonung der priesterlichen Vermittlungsrolle im Bild. Gleich drei Kirchenmänner sind abgebildet: Der Hohepriester im Tempel, darüber ein Diakon sowie Papst Gregor. Dies deutet auf einen Geistlichen als Stifter, der das Priesteramt und die hierarchische Heilsvermittlung der Kirche angemessen repräsentiert sehen wollte.

Infrage kommt ein hochrangiger Kleriker des ...

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Besonders auffällig ist die Betonung der priesterlichen Vermittlungsrolle im Bild. Gleich drei Kirchenmänner sind abgebildet: Der Hohepriester im Tempel, darüber ein Diakon sowie Papst Gregor. Dies deutet auf einen Geistlichen als Stifter, der das Priesteramt und die hierarchische Heilsvermittlung der Kirche angemessen repräsentiert sehen wollte.

Infrage kommt ein hochrangiger Kleriker des Domkapitels oder der Reformbischof Heinrich IV. von Hewen (1436 – 1462) selbst. Während seiner Amtszeit versuchte er, den Klerus zu disziplinieren und das religiöse Leben in Konstanz zu verbessern. Zu diesem Erneuerungseifer könnte das vorbildliche Verhalten der Kirchenmänner im Bild passen: Sie verwalten die Heilszeichen und ermöglichen dadurch den Gläubigen einen Zugang zu Gott. Die Malerei hatte also für den Bildstifter einen eindeutig repräsentativen Zweck, mit dem sich auch seine Hoffnung auf Memoria verbunden haben wird.

Somit richtete sich das Bild einerseits an Priester, die bei Prozessionen, Andachten oder Messfeiern in der Rotunde an den Bildstifter erinnert wurden und ihn in ihre Gebete einschließen sollten. Andererseits spricht die Malerei aber auch Laien an, indem sie sich als Mittel der Gnadenübertragung inszeniert. Zudem galt die Gregorsmesse als wichtiges Ablassbild, vor dem durch Niederknien und Beten Sündenerlass erlangt werden konnte. Das Bild adressiert also ein doppeltes Publikum und stellt zwei unterschiedliche Wege des Gnadenerwerbs vor: Neben der direkten visuellen Gnadenwirkung des Schmerzensmannes wird auch an die Mittlertätigkeit des Priesteramtes erinnert. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 1 - Bildquelle: Katrina Weißer

    Der Hohepriester im Tempelgang Mariens ist als christlicher Bischof mit einer Mitra dargestellt. Vielleicht ließ sich hier auch der Stifter und Reformbischof Heinrich IV. von Hewen selbst abbilden? Er streckt die Hände aus, um einen Gabenkorb zu empfangen, dem ihm die Hl. Anna bringt. Der Bischof steht vor dem Altar des Tempels, was seine Mittlerschaft zwischen den Menschen und Gott unterstreicht: Er kann den Zugang zu Gott „kontrollieren“. Ebenso vorbildhaft wie der Priester in seinem Amt sind die Hl. Anna und Joachim als fromme und devote Kirchgänger dargestellt. Deutlich wird, dass alle Bildfiguren dem Betrachter ein vorbildliches religiöses Leben aufzeigen und ihn – Priester wie Gläubige – zur Nachahmung aufrufen.