1320: Einbau der Glasfenster

Wer heute in der Mauritiusrotunde seinen Blick in die Höhe wandern lässt, wird mit einem besonderen Licht- und Farbenspiel belohnt: Große Glasfenster beleuchten den Kirchenraum und das Heilige Grab. Es sind moderne Rekonstruktionen der alten Farbverglasung, die ab 1320 über Jahrhunderte in der Rundkirche zu sehen war.

Dem Einbau der hohen gotischen Glasfenster ging die Umgestaltung von ...

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Wer heute in der Mauritiusrotunde seinen Blick in die Höhe wandern lässt, wird mit einem besonderen Licht- und Farbenspiel belohnt: Große Glasfenster beleuchten den Kirchenraum und das Heilige Grab. Es sind moderne Rekonstruktionen der alten Farbverglasung, die ab 1320 über Jahrhunderte in der Rundkirche zu sehen war.

Dem Einbau der hohen gotischen Glasfenster ging die Umgestaltung von Konrads Gründungsbau voraus. Um 1300 wurde er vollständig im Stil der Gotik umgebaut. Es war der größte Umbruch in der Baugeschichte der Rotunde: Sie wurde erhöht, eingewölbt und ihr Boden angehoben, um sie an den neu entstehenden Münsterkreuzgang anzuschließen. Den Abschluss bildete der um 1317 und 1320 entstandene Fensterschmuck: Über dem Scheitel der Ostkapelle wurde ein riesiges Dreipassfenster mit dem Drachenkampf des Heiligen Michael eingefügt. Rechts und links davon durchbrechen das Klingenberg- und das Ornamentfenster den Rundbau. Für diese umfangreichen Bauarbeiten muss auch das bereits 1260 angefertigte Heilige Grab ab- und wieder aufgebaut worden sein. Doch weshalb dieser Aufwand?

Ausschlaggebend war auch hier der Anschluss an überregionale Standards der Bau- und Bildkunst. Im 13. Jahrhundert war die Glasmalerei zunächst in Frankreich zu einem Leitmedium im Rahmen der neuen gotischen Skelettbauweise geworden. Diese neue Bild- und Baukunst hält mit der Miniaturarchitektur des heiligen Grabes und dem Umbau der Mauritiusrotunde auch Einzug in Konstanz. Die Rotunde hatte vermutlich seit ihrer Gründung nur Fensterschlitze, die den Innenraum kaum beleuchteten. Was für eine gegensätzliche Wirkung müssen die fast acht Meter hohen Lanzettfenster vermittelt haben: Sie entfalten ein farbenprächtiges Lichtspiel, das die neuen Kunstformen um eine weitere Facette bereichert. Beim Versuch, den Sakralraum als Abbild des himmlischen Jerusalems erscheinen zu lassen, wird immer deutlicher eine ästhetische Komponente ausgespielt. Auch der gotische Grabbau wird durch den Lichteinfall neu in Szene gesetzt: Die farbigen Figuren erscheinen durch die teils schlaglichtartige Beleuchtung fast lebendig. So verstärkt sich die Wirkung des am Grabbau inszenierten Heilsgeschehens, das wie ein in der Rotunde real erlebtes Ereignis in Erinnerung bleiben sollte. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 2 - Bildquelle: Katrina Weißer

    Die heutige Farbverglasung in der Rotunde ist aus dem Jahr 1975 und rekonstruiert den Zustand der 1320 vollendeten Glasfenster. Die originalen hochgotischen Glasscheiben befinden sich seit 1818 im Freiburger Münster. Links und rechts des Heiligen Grabes sind die beiden 8 m hohen Lanzettfenster mit ihren Kreuzigungsdarstellungen und reichen Ornamentbahnen zu sehen. Sie beleuchten das Grab aus nord- und südöstlicher Richtung. Über dem Grabbau prangt ein Dreipassfenster (ca. 1,85 x 1,30 m), das den Drachenkampf des Hl. Michael zeigt.

  • Abb. 2 von 2 - Bildquelle: Infotafel in der Münsterkrypta (links, Ausschnitt) / Ulrike Laule: Die Mauritiusrotunde des 10. Jahrhunderts – Form und Ideengeschichte. In: Dies (Hg.): Das Konstanzer Münster Unserer Lieben Frau. 1000 Jahre Kathedrale – 200 Jahre Pfarrkirche. Regensburg 2013, S. 300 (Querschnitt rechts)

    Nach dem umfangreichen Umbau der Rotunde um 1300 war sie keine eigenständige Kirche mehr, sondern an den Kreuzgang und somit an das Münster angeschlossen. Dabei gingen zwei ihrer ursprünglich vier Seitenkapellen verloren. Wie Lageplan (links) und Querschnitt (rechts) zeigen, hat sich dieser Zustand bis heute erhalten. Auch die Konradikapelle wurde im Zuge der gotischen Bauarbeiten umgestaltet. Gut zu sehen ist die Lage Konrads Sarkophags an der westlichen Wand der Rotunde, wo ihr einstiger Eingang lag. Der neue gotische Zugang zum Rundbau liegt in der Ecke der beiden Kreuzgangflügel. Da der Kreuzgang Klerikern vorbehalten war, bleibt offen, wer wann im Kirchenjahr Zutritt zur Rotunde hatte. Denn trotz ihrer Lage im nördlichen Münsterbezirk, dem Einflussbereich des Domkapitels, blieb sie zweifellos ein häufig frequentierter Kult- und Pilgerort für Laien.

    Heute steht ein prächtiger Flügelaltar von 1524, der aus der Konradikapelle stammt und fast als einziger den protestantischen Bildersturm überlebte, aus konservatorischen Gründen in der südlichen Seitenkapelle der Rotunde.