Kunst am Bau – oder Prozentkunst, wie sie in einigen Staaten genannt wird – hat europaweit in vielen Ländern einen hohen Stellenwert. Das Prinzip ist jeweils dasselbe: ein bestimmter Prozentsatz der Bausumme wird in Kunst am Bau investiert. Dabei handelt es sich um Kunstwerke, die in oder an öffentlichen Bauten angebracht oder aufgestellt werden. Häufig werden die Werke auch in die Architektur integriert oder nehmen inhaltlichen Bezug auf die Gebäude, zu denen sie gehören.
In Deutschland beginnt die Geschichte der Kunst am Bau in der Weimarer Republik. Sie diente damals in erster Linie der Künstlerförderung, da viele Künstler:innen unter der Wirtschaftskrise weit mehr als andere Berufsgruppen litten. So heißt es z.B. in einem Erlass des Preußischen Ministers aus dem Jahr 1928:
Der Preußische Landtag hat das Staatsministerium durch Annahme eines Entschließungsantrags ersucht: 1. bei der Errichtung und Ausstattung staatlicher oder kommunaler Bauten mehr als bisher bildenden Künstlern unter besonderer Berücksichtigung der beschäftigungslosen und in Not geratenen bildenden Künstler Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu schaffen, […]
In der NS-Zeit wurden die Künste bereits 1933 gleichgeschaltet, d.h. wer als Künstler:in arbeiten wollte, musste der Reichskulturkammer und der Reichskammer der bildenden Künste beitreten und war dadurch selbstverständlich überwacht vom Regime und hatte mit Konsequenzen zu rechnen, falls die Werke nicht der Ideologie entsprachen. Joseph Goebbels, der für die Reichskulturkammer verantwortliche Minister, verfügte 1934 ebenfalls, eine gewisse Bausumme bei öffentlichen Neubauten sei für Kunst bereitzustellen. Die in Folge gewählten Künstler:innen für derartige Aufträge mussten sich der programmatischen Einbindung an die ideologische Architektur anpassen.
Nach dem Krieg war das Land Niedersachsen das erste Bundesland, welches im April 1949 die Künstlerförderung wiederaufnahm. Hier wurden je nach Bausumme 2 bis 4% für Kunst am Bau vorgesehen. Ein gutes halbes Jahr später – im November 1949 – wurde das Thema in den Kulturausschuss des Deutschen Bundestags eingebracht und im Januar 1950 erging der Beschluss, dass mindestens 1% der Bausumme der Bauaufträge des Bundes für Kunstwerke bereitzustellen seien:
Um die bildende Kunst zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht, bei allen Bauaufträgen (Neu‐und Umbauten) des Bundes, soweit Charakter und Rahmen des Einzelbauvorhabens dies rechtfertigen, grundsätzlich einen Betrag von mindestens 1% der Bauauftragssumme für Werke bildender Künstler vorzusehen. Bei Verteilung der Aufträge sollen Künstler aller deutschen Länder berücksichtigt werden. Die Auswahl der Kunstwerke im Einzelnen obliegt einem Fach‐Gremium. Es wird empfohlen, die Berufsvertretung der bildenden Künstler bei der Vergebung der Aufträge zu hören.
Aus diesem Bundesbeschluss ergab sich eine Rahmenempfehlung für die Bundesländer, die in Baden-Württemberg am 25.04.1950 durch einen Erlass des Finanzministeriums umgesetzt wurde. Darin wird lapidar auf die kurze NS-Tradition verwiesen: Man habe „wieder auf den Modus zurückgegriffen, bei allen öffentlichen Bauten [..] mit Kosten von 250.000,‐DM einen Betrag von 1% der Bausumme für die Beschaffung von Werken bildender Künstler und des Kunsthandwerks vorzusehen.“
Das genaue Prozedere der Ausschreibungen und Entscheidungen sowie die Prozentanteile variieren seit den 1950er Jahren minimal, bewegen sich aber meist zwischen 1 und 2%. Die Regelung gilt nicht nur für Neubauten von öffentlichen Bauwerken, sondern auch für Erweiterungsbauten bereits bestehender Baukomplexe.
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