Westbau

Für unsere letzte Station geht es hoch hinaus: Gemeinsam werden wir die Stufen der westlichen Münstertürme erklimmen und dabei durch die Jahrhunderte der Baugeschichte reisen, denn ebenso wie die schon beschriebenen Innenräume wurde auch das äußere Erscheinungsbild des Münsters häufig verändert.

Die Westfassade ist vertikal in drei Bereiche gegliedert, die der Aufteilung in ein ...

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Für unsere letzte Station geht es hoch hinaus: Gemeinsam werden wir die Stufen der westlichen Münstertürme erklimmen und dabei durch die Jahrhunderte der Baugeschichte reisen, denn ebenso wie die schon beschriebenen Innenräume wurde auch das äußere Erscheinungsbild des Münsters häufig verändert.

Die Westfassade ist vertikal in drei Bereiche gegliedert, die der Aufteilung in ein Mittelschiff und zwei Seitenschiffe im Inneren entsprechen und durch zwei vorgelagerte Bauelemente voneinander abgegrenzt werden. Hierbei handelt es sich um stützende Strukturen, die den Schub des Gewichts der Türme abfangen. Sie sind mit zahlreichen Blendbögen und weiteren verzierenden Motiven geschmückt und rahmen damit die zentrale Achse, auf der das Portal, die Figuren der drei Kirchenpatrone, die Maßwerkfenster und schließlich der oktogonale Turmaufbau mit dem pyramidalen Turmhelm liegen. Das Aussehen der Fassaden nördlich und südlich dieser Achse wird in den unteren drei Geschossen von Mauerwerk dominiert und trägt so zum wehrhaften Charakter der Westfassade bei. Erst im vierten Geschoss sind große Fenster und detailliertere Zierelemente in allen drei vertikalen Achsen vorhanden. Die bauliche Trennung der einzelnen Geschosse wird durch Gesimse markiert. Dabei fällt auf, dass die Geschosse des Mittelturms von denen der Seitentürme – der Westbau war zunächst als Doppelturmfassade geplant – abweichen. Dies dürfte sich aus den verschiedenen Bauphasen ergeben haben, denen wir nun nachspüren.

Der Aufstieg kostet 2€/Person und ist von Mitte März bis Ende Oktober möglich– Stand August 2018

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  • Abb. 1 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Westwerk, Münster unserer lieben Frau, Konstanz

  • Abb. 2 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Sowohl im nördlichen als auch im südlichen Seitenschiff des Münsters ist an der Westwand eine Christophorusdarstellung in den Scheitelbögen sichtbar. Christophorus, auch Christusträger genannt, ist Schutzpatron der Reisenden; der Anblick seines Bildes sollte vor einem unerwarteten Tod bewahren. Die Wandmalereien wurden wahrscheinlich erst nach dem Bau der Seitenschiffgewölbe im 15. Jahrhundert angebracht, im südlichen Seitenschiff etwas früher als im Nördlichen. Schreiten wir nun unter Christophorus hindurch und wagen uns an den Aufstieg.

  • Abb. 3 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Der Nordturm wurde früher begonnen als der Südturm und war 1255 bereits mit einem Glockengeschoss versehen; 1378 wurde der Helm des Südturms gedeckt. Die Doppelturmfassade wurde vor allem für die Unterbringung der Glocken des Hauptgeläutes errichtet. 1497 beschloss das Domkapitel, den Raum zwischen den Türmen mit einem Portaljoch und einer Vorhalle zu schließen sowie darüber ein weiteres Glockengeschoss zu bauen. Bereits 1470 wurden die geschnitzten Portale des Simon Haider vermutlich in Öffnungen des Mauerwerks aus dem 11. Jh. eingefügt.

  • Abb. 4 von 11 - Bildquelle: Wiesbadener Riss, HHStAW Abt. 3011/1 Nr. 2945R, Hessisches Landesarchiv

    1511 kam es zum Brand im Westbau, der die Türme verwüstete, woraufhin fünf Werkmeister beauftragt wurden, aufgrund der Sachlage einen Ratschlag auszuarbeiten, wie mit dem Bau fortzufahren sei. Im Hessischen Staatsarchiv wurde eine Federzeichnung auf Papier gefunden, die einen Aufriss von Mittelturm und Südturm des Konstanzer Münsters zeigt. Der schriftliche Vorschlag der Werkmeister korrespondiert mit dieser bildlichen Ausarbeitung – der sogenannte Wiesbadener Riss darf also auf das Jahr 1512 datiert werden.

  • Abb. 5 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Der Wiesbadener Riss verzeichnet Glocken im dritten und vierten Geschoss, durch Planänderungen befinden sich diese heute nur im vierten. Nach dem Brand waren zunächst eine Außentreppe und zwei Zisternen unterhalb der Glockengeschosse angedacht, um im Falle eines erneuten Feuers schnell hinaufgelangen zu können und Löschwasser zur Hand zu haben. Während der Wirren der Reformationszeit zog das Domkapitel fort und die Stadt übernahm den Bau. Auf den Mittelturm kam ein hölzernes Wachthaus anstelle der geplanten Turmspitze; die nördliche Zisterne wurde zur Latrine für den Wächter umgebaut.

  • Abb. 6 von 11 - Bildquelle: Plan Nr. 051/1994/95, Planarchiv Vermögen und Bau Baden-Württemberg

    Schnitt durch die Westturmanlage

    Im Querschnitt sind die Überreste der Zisternen noch erkennbar. Sie liegen unterhalb der Verbindungsgänge der Glockengeschosse. Ebenfalls im Querschnitt sichtbar ist der gemauerte Spitzbogen im Mittelturm oberhalb der Orgel, die zwischen 1515 und 1518 über dem Portaljoch errichtet wurde. Dafür musste wahrscheinlich die westliche Langhauswand aus dem 11. Jh. weichen, denn der Platz im Inneren reichte für die neue Orgel nicht aus. Außerdem wurde das Portaljoch im Zuge des Orgeleinbaus neu gewölbt.

  • Abb. 7 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Oberhalb der Glockengeschosse befinden sich die Plattformen des Nord- und Südturms. Heute sind sie ohne bekrönende Architektur erhalten, doch bis 1855/1856 standen durchbrochene Maßwerkhauben mit oktogonalem Grundriss als Abschluss auf den Plattformen. Die steinernen Balustraden wurden zwischen 1678 und 1688 durch ein Eisengitter ersetzt. Mittlerweile sind sie wieder aus Stein und ein Netz überspannt die Plattformen, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten.

  • Abb. 8 von 11 - Bildquelle: Ansicht von Deroy um 1820, Inv.Nr.: T 802, Rosgartenmuseum Konstanz

    Münster und Westturmanlage von Nordwesten

    Auf einer Ansicht des Münsters von 1820 sind neben dem hölzernen Wachturm (Abriss 1850) noch beide Maßwerkhauben zu sehen. Sie sind schon im Wiesbadener Riss enthalten und wurden dementsprechend nach 1512 gebaut. Der Rorschacher Sandstein, aus dem die ca. 5 m hohen Hauben bestanden, war jedoch derart instabil, dass sie mehrfach erneuert werden mussten. Nach dem Rückbau der von Baudirektor Heinrich Hübsch genannten „Käseglocken“ 1855/1856 wurden Fialen errichtet; die Werksteine der Hauben dienten als Füllmaterial der neuen Architekturelemente.

  • Abb. 9 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Nachdem das Wächterhaus abgebrochen war, wurde ein Haubenturm für den gewaltigen Unterbau für zu schmächtig gehalten. Ein Maßwerkhelm auf zwei oktogonalen Geschossen wurde geplant; der abgeschlossene Mittelturm wurde schließlich am 30. Juli 1853 geweiht. Zu diesem Zeitpunkt bestimmten also drei Turmhelme, zwei Hauben und eine Pyramide die Ansicht des Münsters. Eine Wendeltreppe führt im Inneren des oktogonalen Turmaufbaus weiter hinauf.

  • Abb. 10 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Die Wölbung des unteren oktogonalen Geschosses endet nicht in einem Schlussstein, sondern öffnet sich in einem Kuppelauge, auch Opaion genannt, in das obere Stockwerk. In diesem, unterhalb des pyramidalen Turmhelms, ist der Aufstieg für uns beendet. Lediglich eine eiserne Wendeltreppe führt zu Restaurierungsarbeiten noch höher. An heißen Sommertagen ist die Luft in diesem Raum leider sehr drückend. Dies liegt vor allem an den verglasten Fenstern in den Spitzbögen der Neugotik; das Hinaustreten auf die acht Erker ist nicht möglich.

  • Abb. 11 von 11 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Der Blick nach Osten in Richtung See und Berge bietet eine schöne Aussicht auf den aus dem 16. Jh. stammenden Dachreiter über dem Vierungsturm, der bereits früh ein Glockengeläut beherbergte. Der bekrönende, vergoldete Engel ist hingegen noch recht jung. 1811 wurde der originale Engel bei einem Sturm weggerissen und erst 1975 nahm im Zuge einer Sanierung des Dachreiters ein neuer Engel seinen Platz ein. Wir haben den Endpunkt unserer kleinen Architekturtour, von der Krypta unter dem Hochchor bis zur Aussichtsplattform im Mittelturm, erreicht.