Schnegg

Der Begriff „Schnegg “ war bis ins 18. Jh. eine gängige Bezeichnung für eine Wendeltreppe. Eine solche ist im nördlichen Querhaus, dem Thomas-Chor, zu finden. Sie stammt aus der Gotik. Von 1438 bis 1446 wurde der Schnegg geplant und gebaut, vermutlich in Zusammenhang mit einer gotischen Umgestaltung des gesamten Querhauses. Der Schnegg besteht aus einem Unterbau sowie einem Gehäuse, ... mehr anzeigenDer Begriff „Schnegg “ war bis ins 18. Jh. eine gängige Bezeichnung für eine Wendeltreppe. Eine solche ist im nördlichen Querhaus, dem Thomas-Chor, zu finden. Sie stammt aus der Gotik. Von 1438 bis 1446 wurde der Schnegg geplant und gebaut, vermutlich in Zusammenhang mit einer gotischen Umgestaltung des gesamten Querhauses. Der Schnegg besteht aus einem Unterbau sowie einem Gehäuse, das die eigentliche Wendeltreppe enthält. Wie diese Treppe genau genutzt wurde, kann nicht eindeutig geklärt werden. Eventuell ermöglichte sie einen inszenierten Einzug der Domherren, die nördlich des Münsters ihre Versammlungen abhielten, oder markierte den Beginn eines Aufstiegs, der über eine weitere Wendeltreppe bis in das Hauptdach führte. Der Schnegg stellt eine enge planerische und gestalterische Verbindung von Architektur und Bildhauerei dar. Wir beschränken uns auf die architektonischen Details, da die figürliche Ausstattung der Reliefs in der Tour Geschichten ausführlich besprochen wird.

Grundsätzliche Formen der Gotik sind der Spitzbogen, der vor allem bei Eingängen oder Fenstern erkennbar ist, sowie das filigrane Maßwerk der Steinmetze, das besonders zur Gestaltung von Fenstern und Balustraden verwendet wurde. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich verschiedene Motive und Stile. Im obersten Abschnitt des Schneggs sind im schmückenden Maßwerk sogenannte Vierpässe zu sehen, die in der Form einem vierblättrigen Kleeblatt ähneln. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 8 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Meister Antoni: Schnegg, Ansicht aus südöstlicher Richtung im Thomaschor, Münster Unserer Lieben Frau, Konstanz 1438-1446

  • Abb. 2 von 8 - Bildquelle: Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien

    Architekturzeichnungen aus dem Entwurfsstadium des Schnegg haben sich im Kupferstichkabinett der Akademie der Bildenden Künste in Wien erhalten. Der Grundriss des 3 m hohen Unterbaus (Abbildung unten) basiert auf zwei ineinander liegenden Dreiecken, wobei das eine mit Mauerwerk und das andere durch Stützpfeiler erkennbar wird. Das Sechseck des darüberliegenden, 5 m hohen Gehäuses (Abbildung oben) wird durch das geometrische Zusammenspiel der Dreiecke begründet.

  • Abb. 3 von 8 - Bildquelle: Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien

    Die Aufrisszeichnung, die in Wien erhalten ist, weicht stark vom tatsächlich gebauten Schnegg ab. Neben den perspektivischen Sonderlösungen der Zeichnung – der Bogen im oberen Teil des Gehäuses wird beispielsweise halbiert und nicht verkürzt – fehlen auch zahlreiche Gestaltungselemente wie die Bibelszenen und Propheten. Einzig ein Hündchen ist rechts am Gesims bereits gezeichnet. Die Sockel des Unterbaus wurden vermutlich ausgeführt, durch eine spätere Erhöhung des gesamten Bodenniveaus im Thomas-Chor um 20 cm jedoch verdeckt.

  • In der Spätgotik wurden Aufgänge, Galerien und Umgänge häufig durch detailreichen Schmuck, vor allem durch motivreiches Maßwerk und bekrönende Fialen (dekorative Türmchen) als Bauelemente hervorgehoben. Wenige Jahre vor der Errichtung des Konstanzer Schnegg wurden am Nordturm des Straßburger Münsters Wendeltreppen errichtet, die eventuell als Vorbilder gedient haben könnten.

  • Abb. 5 von 8 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Der sogenannte „Schulterzwiebelbogen“, der als einziges Architekturmotiv nicht dem südwestdeutschen gotischen Formenrepertoire entspringt, bestimmt das Erscheinungsbild des oberen Drittels des Schnegg. Ein eingezogener Kielbogen, eine im 15. Jh. etablierte Form, sitzt auf schmalen Kreissegmenten als Schultern und ähnelt dadurch dem Umriss einer Zwiebel. Auf dem äußeren Rahmen sitzen zudem Krabben, ein weiteres typisch gotisches Zierelement.

  • Abb. 6 von 8 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Vorbild für den Schulterzwiebelbogen am Schnegg lieferte vermutlich die Grabplatte des Bischofs Robert Hallum aus Salisbury, die sich im Chorraum befindet. Der Bischof starb im Jahr 1417 während des Konstanzer Konzils; die Grabplatte wurde in seiner Heimat gefertigt. Damit ergibt sich eine direkte Verbindung der spätgotischen Architekturformen auf der britischen Insel mit dem Konstanzer Münster, die das Schulterzwiebelbogenmotiv im Schnegg erklären könnte. Wer sich im Münster aufmerksam umsieht, kann weitere dekorative Schulterzwiebelbögen entdecken.

  • Abb. 7 von 8 - Bildquelle: Birgit Rucker

    Die wenigen Steinblöcke, aus denen der Schnegg besteht und die durch eiserne Klammern und Stangen im Inneren miteinander verbunden sind, beinhalten sowohl die architektonischen Formen als auch die Reliefs und Prophetenfiguren. Die Übergänge zwischen den Blöcken wurden so geplant, dass sie häufig hinter Figuren verborgen sind. Die Mörtelfugen direkt unterhalb des Schulterzwiebelbogens sind hingegen auffälliger und verraten die Konzeption der einzelnen Blöcke.

  • Abb. 8 von 8 - Bildquelle: Eva Eß, Jessica Schäfer

    Einzelne Gestaltungselemente wurden nach Beschädigung oder Planungsänderung mit passgenauen Fugen, die deutlich sichtbar sind, nachträglich in den Schnegg eingefügt. So ersetzte wahrscheinlich auch dieses ausgeschmückte Kapitell im Unterbau ein fehlerhaftes Stück. Über dem runden Halsring sitzt ein mit Krabben verzierter Echinus, darüber ein bereits eckiger Abakus und schließlich eine hervorkragende Abdeckplatte, deren eigentlich sechseckige Form durch das Mauerwerk abgeschnitten wird. Das Hexagon des Grundrisses wird in diesem Detail erneut aufgegriffen.