Die Gestaltung der Westapsis

Die umfangreichen Maßnahmen zur Freilegung der Wandmalereien im gesamten Kircheninnenraum begannen mit einem Bild, dem heute kaum noch Beachtung geschenkt wird: 1856 wurde in der Westapsis ein Fresko des Jüngsten Gerichts wiederentdeckt, das der Maler Johann Rudolph Mohr erst 1708/09 auf einer eigens dafür aufgebrachten Deckmörtelschicht angefertigt hatte. Es war wie die mittelalterlichen ... mehr anzeigenDie umfangreichen Maßnahmen zur Freilegung der Wandmalereien im gesamten Kircheninnenraum begannen mit einem Bild, dem heute kaum noch Beachtung geschenkt wird: 1856 wurde in der Westapsis ein Fresko des Jüngsten Gerichts wiederentdeckt, das der Maler Johann Rudolph Mohr erst 1708/09 auf einer eigens dafür aufgebrachten Deckmörtelschicht angefertigt hatte. Es war wie die mittelalterlichen Wandmalereien inzwischen übertüncht worden.

Das Thema „Auferstehung“ und „Gericht“, das im 11. Jahrhundert an der Außenseite der Kirche in der Vorhalle sehen war, ist hier nach dem Vorbild byzantinischer und italienischer Kirchen in den Innenraum der Kirche gewandert. Nur noch schemenhaft erkennt man, wie mittig in der Konche ein Kreuz platziert ist, darüber Christus, der die Seelen richtet. Von Putti umgeben thront darüber Gottvater, die Taube als Symbol für den heiligen Geist befindet sich im Zenit der Kalotte. Gut zu erkennen sind die Engel auf der Südseite, die den Auferstehenden aus ihren Gräbern helfen. Die stürzenden Verdammten im nördlichen Bereich sind weniger gut erhalten. Am südlichen Übergang der Kalotte zur Westwand ist an der Decke Moses mit einer Gesetzestafel dargestellt.

Mit der malerischen Neugestaltung ging ein architektonischer Umbau einher: Die Konche wurde mit Kalotte eingewölbt und die zweiteilige Arkadenöffnungen in der Westapsis zugemauert. Die bestehende Renaissancemalerei innerhalb der Portallaibungen wurde mit einer dünnen Mörtelschicht und einer grau-grünen Fassung abgedeckt. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 5 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Abb. 704 und Tafel 37 (Detail, ergänzte Markierung)

    Darstellungen des Weltgerichts wurden seit dem 11. Jahrhundert häufig in Vorhallen und an Außenwänden über den Eingängen der Kirchen platziert. Auch in St. Georg war das Motiv zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert bereits beim Eintreten in die Vorhalle an der Außenseite zu sehen. Wer durch ein derart gestaltetes Portal schreitet, geht unter dem Weltgericht hindurch in die Kirche, die in einer Art Vorwegnahme des Urteils den Himmel symbolisiert. Darstellungen an der Innenseite der Westwand gehen auf eine byzantinische Tradition zurück. In diesem Fall markiert das Weltgericht den Rückweg von der himmlischen in die sterbliche Welt und hat somit eher die Funktion einer Mahnung beim Verlassen des sakralen Ortes.

  • Abb. 2 von 5 - Bildquelle: Jennifer Münster

    Der Bezug des Bildprogramms auf die Tür wird durch die Scheinarchitektur eines prachtvollen Portals hergestellt. Außerdem scheinen zwei Skelette den Ein- und Ausgang zu bewachen. Ihre Lanzen sind auf den Kirchgänger gerichtet, der durch die Tür schreitet. Auf drastische Weise erinnern sie den Gläubigen an die eigene Sterblichkeit, das große Thema dieser Kirche, und ermahnen ihn dazu, sein Leben am christlichen Glauben auszurichten. Im Gegensatz zum Wunderzyklus (der im 18. Jahrhundert nicht mehr sichtbar war), entlässt die Darstellung Mohrs den Besucher ohne allzu große Heilsgewissheit in die Welt.

  • Abb. 3 von 5 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Abb. 244b und 245

    1711 schuf Johann Rudolph Mohr das Deckenbild in der Friedhofskirche St. Peter und Paul in Nusplingen bei Albstadt und signierte es mit Jahreszahl und Namen. Im Bild ist auf der linken Seite die Darstellung der Hl. Katharina in Nusplingen zu sehen, auf der rechten ein gut erhaltenes Detail des Jüngsten Gerichts in St. Georg. Das Beispiel zeigt, wie der Maler wenig innovativ und variationsfreudig die gleichen Bildmuster wiederverwendete.

  • Abb. 4 von 5 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Tafel 66

    Bereits 1787/88 wurde das Jüngste Gericht wieder mit einer weißen Kalktünche abgedeckt und eine Orgelempore eingebaut. Zwei große Fenstereinbrüche in der Westapsis sollten für mehr Licht sorgen. Diese sind heute im zugemauerten Zustand noch erkennbar. Nach der Freilegung der Wandmalereien 1856 wurde auch die Orgelempore entfernt. 1922 reinigte man das Jüngste Gericht und behandelte es mit einem Fixativ. Im Zuge dessen wurden auch die vermauerten Doppelbogenarkaden geöffnet und wiederhergestellt. Die Fenster der Orgelempore wurden 1951 im Rahmen einer „Rückführung“ zum ursprünglichen Aussehen der Westapsis wieder zugemauert. Auf dieser Abbildung von 1926 sind die Fenster noch geöffnet.

  • Abb. 5 von 5 - Bildquelle: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart, in: Jakobs 1999, Abb. 243

    Mit dem Auffinden des von Mohr eigenhändig geschriebenen und unterzeichneten Quittungsbelegs ist das Jüngste Gericht zweifelsfrei als sein Werk identifizierbar. Für seine Wandmalerei erhielt er insgesamt 108 Gulden und 10 Eimer Wein. Verwunderlich ist die Bemerkung im Kirchenbuch, dass der Maler „in 2 Tag das Jüngste Gericht ab copeit“ haben soll. Von wo Mohr das Wandbild kopiert haben soll und wie diese Angabe zu verstehen ist, wird noch immer diskutiert. Unwahrscheinlich ist jedenfalls, dass das Jüngste Gericht bereits vorhanden war und Mohr dieses nur auffrischen sollte.