Die Stillung des Sturms auf dem See

Die dritte Szene des Wunderzyklus muss bereits durch den Schauplatz den üblichen Bildaufbau verändern: Das Wunder ereignet sich an und in einem Schiff, das im Wasser fährt. Christus und die Apostel sind nicht durch architektonische Elemente im Bild gerahmt, sondern befinden sich in einem Boot. Auffallend ist auch das thematisch bedingte Abbrechen des braunen Erdstreifens am unteren Rand ... mehr anzeigenDie dritte Szene des Wunderzyklus muss bereits durch den Schauplatz den üblichen Bildaufbau verändern: Das Wunder ereignet sich an und in einem Schiff, das im Wasser fährt. Christus und die Apostel sind nicht durch architektonische Elemente im Bild gerahmt, sondern befinden sich in einem Boot. Auffallend ist auch das thematisch bedingte Abbrechen des braunen Erdstreifens am unteren Rand des Bildes.

Es ist die erste Szene, in der Christus doppelt auftritt: seine Figur ist, jeweils gekennzeichnet durch den Kreuznimbus, einmal in der linken Hälfte und einmal in der rechten Hälfte des Bootes zu sehen, links in horizontaler Position schlafend, rechts aufrecht den Sturm besänftigend.

Auch in dieser Szene erhält der Betrachter das Rezeptionsangebot, sich die Wundertat Christi als einen Widerstreit von Richtungen vorzustellen (Abb. 2). Petrus bekommt hier als Bittsteller der Jünger in der Mitte eine besonders wichtige Rolle zugeteilt (Abb. 3). weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 3 - Bildquelle: Jakobs, Tafel 78g

    Carne deus dormit, Eurusque Nothusque resurgunt. Maiestate iubet. Ventus et unda silet.
    Gott schläft in seiner leiblichen Gestalt; Ost- und Südwind zumal brechen los. Herrscherlich gibt er Befehl. Wind und Wasser sind still.
    (Transkription des Titulus und Übersetzung nach Walter Berschin)
    Bibelreferenz: Mk 4,35-39; Mt 8,23-26; Lk 8,22-25.

  • Abb. 2 von 3 - Bildquelle: Jakobs, Tafel 78g (mit Ergänzungen)

    Auch die dritte Wunderszene folgt dem wiederkehrenden Schema der Blick- und Aktionsrichtungen: Der Segensgestus des erwachten Christus wendet sich nach rechts gegen den personifizierten Wind, der gegen die Laufrichtung des Zyklus bläst. Auch der schlafende Christus, der noch nicht in den wütenden Sturm eingreift, ist nach links „gekippt“.
    Da sagte er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer. Da wurde es ganz stille. (Mt 8,26)

  • Abb. 3 von 3 - Bildquelle: Jakobs, Tafel 78g (Detail)

    Petrus markiert zusammen mit dem Schiffsmast eine Bildachse, die für den Wendepunkt der Handlung steht.
    Und siehe, da erhob sich ein gewaltiger Sturm auf dem See, so dass auch das Boot von Wellen zugedeckt wurde. Er aber schlief. Und sie traten zu ihm, weckten ihn auf und sprachen: Herr, hilf, wir kommen um! (Mt 8,24-25)
    In der linken Bildhälfte agiert der Steuermann neben dem schlafenden Christus hilflos, rechts haben sich die Jünger hinter dem erwachten Christus versammelt. Die Bildaufteilung mit der doppelten Darstellung Christi wird als erzählerisches Element genutzt, und gibt den kausal verknüpften Handlungen der Geschichte Raum.