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gewâpent reit ez der tumbe man den tac sô verre, ez hete lân ein blôz wîser, sollte erz hân geriten zwêne tage, ez waere vermiten (161, 17-20)
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Der unerfahrene Jüngling brachte in voller Rüstung an einem einzigen Tag eine Strecke Weges hinter sich, wie sie ein Mensch mit Verstand ungewappnet nicht einmal in zwei Tagen bewältigt.
(Spiewok, Band 1, S. 277)
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Damit warf der Fürst einen Sperber in die Luft, der auf seiner Hand gesessen hatte. Der Vogel strich hinauf zur Burg und ließ dabei ein goldnes Glöckchen an seinem Fuß erklingen. Er war des Fürsten Bote, denn sofort stürzten viele gutgekleidete Junker aus der Burg. Der Fürst befahl ihnen, seinen Gast in die Burg zu führen und es ihm bequem zu machen.
Auch die Dresdner Handschrift illustriert Parzivals Ankunft bei Gurnemanz nicht ganz analog zum Romantext. Zwar steht auch hier eine Linde vor der Burg, an der Parzival sein Pferd festbindet. Doch sitzt unter dieser nicht wie bei Wolfram der Burgherr selbst in cognito. Hier, wie auch auf dem Konstanzer Fresko, begrüßt er den Ankommenden von seiner Burg herab.
M 66, fol. 112v, um 1443-1446, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
Ankunfts- und Begrüßungsszenen sind zur Illustration besonders geeignete Knotenpunkte von Erzählungen. Im Vergleich zur Konstanzer Darstellung des Empfangs durch Gurnemanz fällt bei der Buchmalerei des Münchner Parzival-Codex auf, dass der Parzival, Feirefiz und Cundrie bei ihrer Ankunft auf der Gralsburg nicht wirklich ebenso so herzlich begrüßt werden.
Cgm 19, fol. 50r, Straßburg?, zwischen 1228 und 1236, Bayerische Staatsbibliothek München
Fälschlicherweise stellt die Dresdner Handschrift Parzival beim Turnier am Gurnemanzhof mit spitzer Lanze dar. Der Tjost, das zur sportlichen Ertüchtigung der Ritter und als höfisches Gesellschafts-Event veranstaltete Lanzenstechen, wurde aber stets nur mit stumpfen Lanzen ausgetragen.
Der Burgherr sprach nun Worte, die ihm Ehre machten: »Ihr müßt jetzt lernen, wie sich ein rechter Ritter zu benehmen hat. Wie kamt Ihr angeritten! Ich kenne viele Wände, wo der Schild besser hing als an Eurem Halse. Noch ist Zeit, aufs freie Feld hinauszureiten. Dort sollt Ihr die Kunst der Waffenführung lernen. Bringt ihm sein Pferd! Mir bringt das meine! Auch allen Rittern bringt die Pferde! Die Junker sollen uns begleiten, und ein jeder soll eine starke, neue Turnierlanze haben!«
M 66, fol. 121r, um 1443-1446, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
Der Codex Manesse zeigt Goesli von Ehenheim während eines Turnierkampfes mit dem Schwert. Wie bei der Dresdner Illustration werden die Wettkämpfer dabei von den Hofdamen beobachtet. Goeslis Pferd trägt, wie auch das seines Gegners, über der Schabracke die gleiche Helmzier wie sein Reiter. Dies erklärt, warum sich im Konstanzer Freskofragment ein Teil von Parzivals Helmzier in der Gurnemanzszene plötzlich über den Vorderhufen seines Pferdes wiederfindet: er reitet in voller Turnier-Rüstung.
Cod. Pal. germ. 848 Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), fol. 197v, ca. 1300 bis ca. 1340, Universitätsbibliothek Heidelberg
Ganz auf’s Geratewohl lässt Wolfram Parzival auf Ithers Ross davongaloppieren, kaum dass er es bestiegen hat. Da der unbedarfte Jüngling nicht weiß, wie man ein Pferd zügelt, trägt ihn das galoppierende Tier in voller Rüstung an einem Tag so weit wie ein erfahrener Ritter in bequemer Reisekleidung nicht an zwei Tagen reiten würde. Todmüde und wundgeritten erreicht Parzival am Abend eine Burg. Der vornehme Burgherr, Gurnemanz von Graharz, sitzt unter einer Linde vor der Burg und begrüßt den Ankömmling in aller Form. Parzival weiß nicht, wen er vor sich hat und „da bei dem Fürsten weder Ritter noch Knechte waren, erwiderte Parzival den Gruß ebenso einfältig wie unbekümmert: ‚Meine Mutter riet mir, den Rat eine Graukopfs anzunehmen?...‘“ (Spiewok, 1. Band, S. 277f.). Auf ein Zeichen hin lässt der weise Burgherr einige Junker aus seiner Burg herbeieilen, um Parzival als seinen Gast hineinzugeleiten. Die unbehelmten „juncherren“ (ein Zeichen für Friedfertigkeit) können also als sein Willkommengeleit in die Burg gedeutet werden. Der Turm mit der begrüßenden Figur unterstreicht die freundliche Aufnahme in der Burg. Unter dem Dachansatz sieht man einen rechteckigen Resonanzkörper mit Hammer, der als Zeichen des Einlasses zum Tönen gebracht werden kann.