Eine Fackelträgerin und eine weitere Frau [Parzival wird zu Bett geleitet (191 ,7ff.)?]

In der letzten heute noch erkennbaren Szene des mittleren Bilderstreifens zeigt das Fresko zwei nach rechts gewendete Frauen. Dass es sich um Damen handelt, wird an den bodenlangen Gewändern deutlich, die in Falten fallend ihre Füße verdecken, so dass kein Schuhwerk zu erkennen ist. Die linke der Damen trägt senkrecht in ihrer rechten Hand eine lange schmale Fackel, deren rote Flamme eine ... mehr anzeigenIn der letzten heute noch erkennbaren Szene des mittleren Bilderstreifens zeigt das Fresko zwei nach rechts gewendete Frauen. Dass es sich um Damen handelt, wird an den bodenlangen Gewändern deutlich, die in Falten fallend ihre Füße verdecken, so dass kein Schuhwerk zu erkennen ist. Die linke der Damen trägt senkrecht in ihrer rechten Hand eine lange schmale Fackel, deren rote Flamme eine Haupteshöhe über den Köpfen der beiden brennt. Die rechte Frau trägt ein prächtigeres rotes Gewand, dessen dunkelrote Fütterung sich noch erahnen lässt. Ob auch sie etwas in ihrer Hand trägt, ist heute nicht mehr zu erkennen. Ebenso wenig wie die Person oder die Szene, für welche die Fackel Licht spendet und der sich die beiden Damen zugewendet haben.

Wolfram berichtet, dass Parzival auf das freundlichste in Pelrapeire empfangen wird. Insgeheim erhoffen wohl alle, dass dieser schöne junge Held das Glück in der nun schon zu lange währenden Belagerung wenden wird. Auch scheinen Condwiramurs und Parzival in ihrer beiden jugendlichen Schönheit von Anfang an wie für einander geschaffen: "Frauen und Männer schauten wie gebannt auf das Paar" (Spierok, 1. Band, S. 321). Ob aus Scham oder weil er Gurnemanz Schweigegebot allzu wörtlich nimmt, richtet Parzival das Wort zunächst nicht an die Königin. Diese befürchtet schon, sie gefalle ihm nicht. Schließlich bringt sie das Gespräch doch ins Rollen. Trotz Armut versucht sie ihn standesgemäß zu empfangen und lässt ihn mit echten Fackeln zum Nachtlager geleiten.

Welche Szenerie die Fackeln des Konstanzer Freskos einst beleuchtet hat, kann nach der Zerstörung des rechten Bildfeldes, nur noch spekuliert werden. Dass es sich aber um eine Nachtszene gehandelt haben muss, kann angenommen werden, da keine andere Episode im Haus zur Kunkel einen Bezug zu einer Tageszeit herstellt, die eine künstliche Beleuchtung benötigt hätte. Und auch wenn das Epos dezidiert von Rittern und Pagen spricht, die Parzival das Geleit zu seinem Bett geben, kann doch aufgrund der sowohl im Text wie auch im Fresko so hervorgehobenen Beleuchtungsart angenommen werden, dass die Fackelträgerin ihr Licht eben zu jener nun bei Wolfram folgenden und nicht ganz unwichtigen Bettszene spendet. Dass es sich bei der Dame im roten Gewand um die Königin selbst handelt, kann ausgeschlossen werden. Die Konstanzer Darstellungen zeigen alle Herrscherinnen (Herzeloyde, Jeschute und Ginover) konsequent mit Krone.

Erwähnenswert ist noch die typisch mittelalterliche Art, in der die Darstellung die Außenansicht mit Bogentor und den fackelbeleuchteten Innenraum in einem Bild verbindet. Es handelt sich dabei weniger um einen perspektivischen Fehler als vielmehr um einen bilddramaturgischen Trick. Vergleichbar mit einer Filmmontage, die unterschiedliche Zeitstränge oder Örtlichkeiten simultan auf einer Leinwand zeigen kann, werden hier unter dem fortdauernden Ort eines Schindeldaches mehrere Zeitpunkte zugleich visualisiert. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 2 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Parzival in Pelrapeire

    ob sîne kerzen waeren schoup?
    nein, si wâren bezzer gar.
    dô gienc der junge wol gevar
    an ein bette rîche
    gehêrt küneclîche,
    niht nâch armüete kür:
    ein teppich was geleit dervür.
    er bat die ritter wider gên,
    diene liez er dâ niht langer stên.

    (191, 18-26)

    Ob man ihm mit Strohfackeln voranleuchtete? O nein, er erhielt weit bessere Beleuchtung. Unser schöner Jüngling begab sich zu einer prächtigen, königlich geschmückten Bettstatt, die wahrlich nicht von Armut zeugte. Vor diesem Lager war ein Teppich ausgebreitet. Parzival duldete die begleitenden Ritter nicht lange bei sich, sondern bat sie, sich zu entfernen.
    (Spiewok, Band 1, S. 327)

  • Abb. 2 von 2 - Bildquelle: Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 339, f. 140r, Wolfram , Parzival (Band 1) (Nutzung gemäß CC BY-SA 4.0)

    Einkleidung in Pelrapeire

    Überschrift über fol. 140r (Klicken Sie auf das Bild für eine Gesamtansicht von Bild und Text): Also man parcifal sinen fehen mantel brochte und der mit zobel gefütert was

    Genau wie bei Gurnemanz wird Parzival auch beim Empfang in Pelrapeire in ein neues Gewand gekleidet. Bezeichnenderweise ist auch dieses von roter Farbe. Der Rote Ritter entkommt dem Schicksal seiner bedeutungsschwangeren Farbe also nicht.