Parzival verlässt Graharz (4. Buch, 179,13ff) & Parzival wird in Pelrapeire empfangen (180, 15ff.)

Die nächste Szene des mittleren Registers nimmt das Motiv des nach rechts dahinpreschenden Roten Ritters wieder auf. Die Darstellung ähnelt jener des reitenden Parzivals vor der Tafelrunde (s. Abb. 2). Nur hält Parzival seine rechte Hand etwas höher vor dem Schild. Auch der Mann, auf den er zureitet, kann als bildliche Reprise zu einer vorangegangen Figur gesehen werden. Wie bei der Burg ... mehr anzeigenDie nächste Szene des mittleren Registers nimmt das Motiv des nach rechts dahinpreschenden Roten Ritters wieder auf. Die Darstellung ähnelt jener des reitenden Parzivals vor der Tafelrunde (s. Abb. 2). Nur hält Parzival seine rechte Hand etwas höher vor dem Schild. Auch der Mann, auf den er zureitet, kann als bildliche Reprise zu einer vorangegangen Figur gesehen werden. Wie bei der Burg des Gurnemanz steht wieder ein Wächter in grünlichem Gewand auf der Schwelle eines Gebäudes. Von der äußeren Erscheinung unterscheidet er sich von Gurnemanz nur durch seine roten Beinlinge. Er scheint Parzival noch herzlicher Willkommen zu heißen.

Gurnemanz hätte nach Wolframs Erzählung seinen gelehrigen Gast und jugendlich-kraftstrotzenden Schüler Parzival am liebsten an Sohnes statt angenommen und ihm seine Tochter Liaze zur Frau und sein Land zum Erbe gegeben. Doch den ungestümen Parzival hält es nicht auf Gurnemanz’ Burg. Er bricht auf und vertröstet seinen enttäuschten Lehrer damit, später zurückzukehren und seine schöne Tochter zur Frau nehmen. "Bevor er in einem Frauenarm erglühen mochte, wollte er erst viele Kampfestaten vollbringen" (Spiewok, Band 1., S. 301). Dazu müsse er hinaus in die Welt. Wohin, das weiß er selbst nicht. Und so lässt er sein Ross ziellos durch die Gegend traben. So gelangt er zur Stadt Pelapeire im Königreich Brobarz. Diese wird seit Monaten vom Heer des Königs Clamide belagert. Königin Condwiramurs, die liebreizende Herrscherin der Stadt, hat den Heiratsantrag Clamides zurückgewissen. Sie und ihre Bevölkerung sind bei der Ankunft Parzivals am Ende ihrer Kräfte.

Von seiner visuellen Erscheinung her hat Parzival keine Verwandlung durchgemacht. Doch ist er nun, nach der Einweisung durch Gurnemanz, zumindest theoretisch der perfekte Ritter, als dessen Ebenbild er sich zu Beginn des mittleren Bilderstreifens in seinem naiven Übermut bereits gesehen hatte. Doch lässt sich in der fast identisch gedoppelten Darstellung für den wissenden Wolfram-Leser noch mehr sehen: er mag zwar seine Lektion gelernt haben, aber ob er sie auch schon verinnerlicht hat oder vielleicht doch innerlich auch jetzt noch sein Narrenkleid trägt, wird sich erst noch erweisen müssen.

Wie auch schon in der Empfangsszene bei Gurnemanz stellt das Fresko Parzivals Empfang sehr vereinfacht, fast nur symbolisch da. Das Epos (180, 29ff.) weiß zwar von einer wackeligen Holzbrücke zu berichten, über die der Held die Stadt betreten muss, von den massiven Verteidigungsanlagen, vom nicht zu übersehenden Hunger in der belagerten Stadt und von den zwei Onkel der Königin, welche die Königin zum zeremoniellen Begrüßungskuss herbeigeleiten. Doch das Fresko zeigt wiederum nur einen auf einen einzelnen begrüßend auf der Schwelle Stehenden (Wunderlich hält ihn trotz seiner Frisur und des nur wadenlangen Gewands fälschlicherweise für eine Frau) reduzierten Empfang. Im Gegensatz zur Illustration der selben Episode in der Münchner Handschrift (vgl. Abb. 3) ist hier also allein das Grundprinzip ‚willkommene Ankunft‘ verbildlicht. In dieser formelhaften Wiederholung unterstreicht die Darstellung sowohl die Grund-‚Lese’richtung wie auch die Etappenhaftigkeit des gemalten Stationenlaufs. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 3 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Parzival lässt sich von seinem Pferd leiten

    swar sîn ors nu kêre,
    er enmag es vor jâmer niht enthaben.
    ez welle springen oder draben.
    [...] tal und berc wârn im unkunt.
    genuoge hânt des einen site
    und sprechent sus, swer irre rite
    daz der den slegel vünde:

    (179,30-180,2; 180, 8-11)

    Willenlos ließ er sich von seinem Roß davontragen, wohin es sich auch wandte, ob es galoppierte oder trabte. [...] über unbekannte Berge und durch fremde Täler. Doch wie es im Sprichwort heißt: Wer ziellos reitet, findet die Axt.
    (Spiewok, Band 1, S. 307)

  • Abb. 2 von 3 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Parzival auf dem Weg zum Artushof (links) und nach Pelrapeire (rechts - klicken Sie hierfür auf das Bild)

    Parzival zog also von dannen. Nach Gestalt und Betragen war er ein vollkommener Ritter, doch ihn bedrängte gärende Unruhe.

    (Spiewok, Band 1, S. 307)

    Beim direkten Vergleich der beiden Darstellungen des reitenden Roten Ritters fällt die ähnliche Ausführung besonders auf.

  • Abb. 3 von 3 - Bildquelle: München, Bayerische Staatsbibliothek, BSB Cgm 19, f. 50v, Wolfram, von Eschenbach, Parzifal, Titurel und Tagelieder (Nutzung gemäß CC BY-NC-SA 4.0)

    Parzival begegnet Condwiramurs

    Der Münchner Codex zeigt Parzival und Condwiramurs bei ihrer ersten Begegnung als gekrönte Häupter. Die beiden Onkel der Königin sind dem Epentext entsprechend an ihren geschorenen Köpfen als geistliche Herren zu erkennen. Auch deuten die Gerüsteten in Condwiramurs’ Bildhälfte auf den Belagerungszustand der Stadt hin.