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entwâpent wart der tôte man aldâ vor Nantes ûf dem plân, und an den lebenden geleget, den dannoch grôziu tumpheit reget. (156, 21-24)
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Auf der Wiese vor Nantes wurde dem Toten die Rüstung abgenommen und dem Lebenden angelegt, der noch völlig weltfremd und unerfahren war.
(Spiewok, Band 1, S. 267f.)
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Direkt neben der Leiche des Ithers lässt sich Parzival vom Knaben Iwanet helfen, dessen Rüstung über seinem Narrenkleid anzulegen.
Cod. AA 91, fol. 29v, 1467, Burgerbibliothek Bern
Die Tötung Ithers ist auf dem Konstanzer Fresco nicht zu sehen. Es wird spekuliert, dass sie eine der zwei bis drei Szenen war, welche im oberen Bildstreifen durch den Einbau einer Tür im 19. Jahrhundert zerstört wurden.
Cod. AA 91, fol. 28v, 1467, Burgerbibliothek Bern
Die Konstanzer Einkleidungsszene spart die dumpfe Habgier, ahnungslose Rücksichtslosigkeit und makabre Brutalität aus, die Parzival Ithers Rüstung ‚erbeuten‘ lassen. Auf einem französischen Elfenbeinkästchen aus der selben Zeit, das diese Szene in der Version der früheren Contes del Graal zeigt, tritt das kaltblütige Geschehen deutlich drastischer vor Augen.
Elfenbeinkästchen, 7.4 x 22.5 x 11.3 cm, Paris ca. 1310-1330. Musée du Louvre Paris.
Also kunnig artus mit dem knappen umb den harnesch rette
Dass es Parzival vor allem Ithers prachtvolle Rüstung angetan hat, zeigt die Heidelberger Handschrift besonders deutlich. Doch hat der Illustrator den Text nicht gut genug gekannt? Oder schwebt die Rüstung hier – da von Ither im selben Moment weit außerhalb des Hofes in Nantes am Leib getragen - nur virtuell im Raum: als Kampfpreis, den sich der dumm-dreiste Parzival von Artus aushandeln will?
Cpg 339, fol. 113r, um 1443-1446, Universitätsbibliothek Heidelberg
Auch im 19. Jh. müssen zumindest kurzzeitig Teile der Parzival-Malereien freigelegen haben. Sonst hätte der städtische Konservator Josef Mosbrugger keine Kohlezeichnung dieser Ankleideszene anfertigen können. Auf der Skizze Mosbruggers ist an Parzivals Gewand und Beinlingen eine Musterung zu erkennen. Vielleicht verweist diese ja nicht, wie bisher angenommen, auf die Ringelbepanzerung eines Kettenhemdes, sondern vielmehr doch auf die Stoffschuppen eines Narrenkleids.
Kohlezeichnung von Josef Mosbrugger, um 1864. Hier nach der Reproduktion bei Wunderlich 1996, S. 89.
Die kleinere Gestalt ist der Page Iwanet sein, der Parzival hilft, die Rüstung des ‚Roten Ritters‘ anzulegen. Zu Beginn der Geschichte kam dieser Ehrentitel dem vorbildlichen Ritter Ither von Gaheviez, dem König von Kukumerland zu. Als der weltfremde Parzival diesem Ritter zufällig begegnet, fällt sein begehrlicher Blick sofort auf dessen prachtvolle rote Rüstung. Von König Artus erbettelt er sich die Erlaubnis zum Zweikampf mit Ither. Dass der völlig unerfahrene Junge im Narrenkleid den kampferprobten Ither im Kampf töten würde, hätte niemand für möglich gehalten. Doch dies geschieht nicht im ritterlich-fairen Zweikampf, sondern mit einem unerwarteten, blitzschnellen Stoß seines Jagdspeeres durch den Sehschlitz im Visier des Ritters (154, 27ff.). Erst viel später wird Parzival erfahren, dass er mit Ither einen Verwandten ermordet hat.
Parzival erhält durch den Knappen Iwanet Hilfe beim Anlegen der Rüstung. „Mit Ithers Rüstung hat Parzival die ritterlichen Standessymbole auf unritterliche Weise in Besitz genommen. Das Rot, beim Artusritter Ither Zeichen höfischer Freude und herrschaftlicher Würde, wird an Parzival zum sündhaften Symbol der Blutschuld. Bei Wolfram läßt sich Parzival die Rüstung über sein Narrengewand anlegen, Zeichen der unwürdigen und sündigen Voraussetzung seiner Ritterschaft.“ (Wunderlich, S. 85). Von einem Narrenkleid ist auf der Konstanzer Wappnungsszene jedoch nichts (oder nichts mehr? Vgl. hierzu Abb. 6) zu erkennen.