Die Außenansicht der Lutherkirche im Kontext der Reformation

450 Jahre nach Verbrennung des böhmischen Reformators Jan Hus findet die protestantische Gemeinde in Konstanz ihren festen Platz nicht weit vom damaligen Hinrichtungsort. 1820 schafft sie es mit ihrer Gründung, sich im nach wie vor überwiegend katholischen Konstanz zu etablieren und hält vor dem Bau der Lutherkirche ihre Gottesdienste zunächst in der ehemaligen Kapuzinerkirche und dann ... mehr anzeigen450 Jahre nach Verbrennung des böhmischen Reformators Jan Hus findet die protestantische Gemeinde in Konstanz ihren festen Platz nicht weit vom damaligen Hinrichtungsort. 1820 schafft sie es mit ihrer Gründung, sich im nach wie vor überwiegend katholischen Konstanz zu etablieren und hält vor dem Bau der Lutherkirche ihre Gottesdienste zunächst in der ehemaligen Kapuzinerkirche und dann in der Jesuitenkirche ab.

Betrachtet man die Kirche mit dem in die Höhe strebenden Glockenturm von außen, fallen die neoromanischen Stilelemente auf. Man bediente sich hier des mittelalterlichen Stils der Romanik, einer kunsthistorischen Epoche zwischen ca. 800 und 1200 – eine Zeit also, in der es die reformierte Kirche noch gar nicht gab. Die schlichte verputzte Fassade mit den romanischen Fensterbögen greift die alten Formen genauso auf wie die Biforien und Triforien des Turms (Biforium und Triforium: durch Stützen in zwei bzw. drei Fenster unterteilte breite Fensteröffnung).

Die Wahl der romanischen Bauform für diesen historistischen Kirchenbau war eine bewusste Entscheidung des Architekten. Zum einen war die Romanik im nordalpinen Raum sehr verbreitet, zum anderen kann wohl kein anderer Stil so repräsentativ für die Reformation stehen. Beides stützt sich auf die Rückkehr zum Einfachen und Zweckmäßigen. Es soll beständig, also ewig gültig sein. Schmückende Elemente und Farbe werden daher nicht benötigt. Auf Figuren bzw. figürliche Darstellungen mit Vermittlerfunktion wird am Bau verzichtet. Das Wort Gottes nimmt die zentrale Rolle ein. Ein Hinweis darauf wird gegeben, indem über den vier Seiteneingänge der Lutherkirche jeweils ein Bibelzitat zu finden ist. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 4 - Bildquelle: Stefanie Weidner

    Lutherkirche

    Architekt: Bauinspektor Heinrich Leonhard, er entwarf auch den Konstanzer Bahnhof
    Materialien: Rorschacher Sandstein für Mauern und Tuber Schiefer für das Dach
    1865

  • Abb. 2 von 4 - Bildquelle: Fachhochschule Konstanz, Fachbereich Architektur und Gestaltung, Architektur Führer Konstanz. Eine Dokumentation ausgewählter Bauten aus allen Epochen, Konstanz 2000, S. 27-28

    Der Grundriss geht auf die Skizzen von Oberbaurat Fischer aus Karlsruhe zurück. Dieser hatte sich eine dreischiffige Basilika mit drei Apsiden und einem mittig vor der Kirche stehendem Turm vorgestellt. Realisiert wurde die Lutherkirche als Hallen-/Saalkirche: es gibt keinen Ebenen-Unterschied zwischen den Seitenschiffen und dem Mittelschiff, dadurch wird das Mittelschiff auch nicht von einem Obergaden beleuchtet. Außerdem fehlen die drei Apsiden. Am Grundriss ist zwar erkennbar, dass sie tatsächlich geplant waren, doch befinden sich anstelle der zwei seitlichen Apsiden nun die Sakristei und ein weiterer Raum.

  • Abb. 3 von 4 - Bildquelle: Stefanie Weidner

    Südliche Seitenansicht

    An den Seiten der Kirche weist die Fassade einige gliedernde Elemente auf, was nicht dem ursprünglichen Stil der Romanik entspricht. Wir finden hier zum Beispiel leicht hervorstehende, sich nach oben abstufende Strebepfeiler zwischen den hohen Rundbogenfenstern. Die Stockwerke werden durch Gesimse horizontal betont. Der Zahnschnitt unter dem Abschlussgesims an der Dachkante wiederholt sich am Turm. Die Säulen in den Turmtriforien schließen jeweils mit einem Würfelkapitell ab.

  • Abb. 4 von 4 - Bildquelle: Stefanie Weidner

    Hauptportal

    Das Hauptportal ist reich ausgeschmückt mit vielen Elementen, die in der Romanik kaum gebräuchlich waren – so zum Beispiel die Säulen mit korinthischen Kapitellen, die den Eingang flankieren. Unter dem Gesimsabschluss ist ein Fries-Umlauf angebracht. Das Gewölbe im Eingangsbereich schließt mit einer steinernen Rosette ab.