Tituli

In den Querstreifen oberhalb der jeweiligen Bildreihen befinden sich die Tituli. Diese beziehen sich inhaltlich auf die einzelnen Bilder und erklären und kommentieren die dargestellten Tätigkeiten. Der Text ist als Ich-Rede verfasst, wird den dargestellten Weberinnen also in den Mund gelegt. In Szenen mit zwei Weberinnen kann die zweite im Bild gezeigte Person mit "Du" adressiert werden. In ... mehr anzeigenIn den Querstreifen oberhalb der jeweiligen Bildreihen befinden sich die Tituli. Diese beziehen sich inhaltlich auf die einzelnen Bilder und erklären und kommentieren die dargestellten Tätigkeiten. Der Text ist als Ich-Rede verfasst, wird den dargestellten Weberinnen also in den Mund gelegt. In Szenen mit zwei Weberinnen kann die zweite im Bild gezeigte Person mit "Du" adressiert werden. In der Bild-Text-Kombination entsteht eine lebendige Sprechsituation, in die der Leser und Betrachter als indirekt angesprochener Dritter eingebunden wird.
Die Querstreifen verlaufen durchgehend über die gesamte Breite der Wand und werden, im Gegensatz zu den Bildfeldern, nicht durch die vertikalen Längsstreifen getrennt. Auch die einzelnen Tituli sind formal nicht voneinander abgegrenzt, sondern gehen nahtlos ineinander über. Zwei Tituli im dritten Register haben Überlänge (III, 4 und III, 5). Das hat in dieser Bildzeile zu einer starken Verschiebung von Textgrenzen und Bildrahmen geführt. Darin gewinnen die Tituli eine gewisse Eigenständigkeit und lassen sich als gereimte Verse auch als fortlaufende Dichtung lesen.
Dennoch sind sie als wörtliche Rede komplementär zum Bild angelegt und verweisen immer wieder auf die dargestellte Situation zurück. Auch wenn der Text auf den ersten Blick hinter den Bildern zurücktritt, gibt ihm die formale Gestaltung zusätzliches Gewicht: die Textzeile befinden sich über der entsprechenden Bildreihe. Der Zyklus ist für einen lesekundigen Rezipienten gedacht, der über die wörtliche Rede in die Situation eingeführt wird, in der die Weberinnen ihre Arbeit verrichten und kommentieren.

Der Text weist diverse Verschreibungen auf. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Verschreibungen nicht auf die ursprüngliche Entstehungszeit im 14. Jahrhundert zurückgehen. Wahrscheinlicher ist, dass die wiederholte Instandhaltung der Fresken ohne ausreichende Kenntnis der mittelhochdeutschen Sprache zu den Fehlern geführt hat. weniger anzeigen

  • Abb. 1 von 7 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Titulus Bildfeld I, 1: hanf ich wol reitun kan

    Schon das zweite Wort lautet ich und stiftet damit eine mündliche Sprechsituation, in der den dargestellten Weberinnen die Rolle der Sprecher, den Betrachtern und Lesern die Rolle der Augenzeugen und Zuhörer zukommt.

  • Abb. 2 von 7 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Titulus Bildfeld II, 6: dringens sun wir us nut schame

    Das singuläre Frauen-Ich des Textes steht im Kontrast zu der Pluralität der verschiedenen dargestellten Frauen in den Bilder. Jedoch spricht das Ich auch teilweise im Plural und macht zudem eine Allgemeingültigkeit geltend, wenn es davon spricht, als all fude sol.

  • Abb. 3 von 7 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Titulus Bildfeld II, 2: zetteln kan ich wol und eben

    Das Augenmerk des Textes liegt nicht auf einer detaillierten und genauen Beschreibung des handwerklichen Vorgangs, sondern vielmehr auf dessen Qualität: Durch das Wort wol, das fünf Mal im Text vorkommt, wird die Güte der verrichteten Arbeit betont.

  • Abb. 4 von 7 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Titulus Bildfeld III, 6: ich lig hie als all fude sol hinder dem ofen ist mir wol

    Vier Mal bezieht sich das Wort auf die Handwerksarbeit. In der letzten komplett leserlichen Strophe bezieht sich das "Wohlsein" dann auf die Frau selbst. Damit wird der Wechsel von den Arbeitsvorgängen hin zum Körperlichen auch auf textueller Ebene vollzogen. Dem Titulus kommt eine Schlüsselfunktion zu: seine Länge war so wichtig, dass die ersten Tituli der Zeile dafür verkürzt, und gegen das Bild verschoben wurden.

  • Abb. 5 von 7 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Titulus Bildfeld II, 7: gurtul wurch ich in dem ramen

    Betrachtet man das Bild genauer, so könnte der dazugehörige Text fast wörtlich gemeint sein, denn die Frau scheint geradezu selbst in dem Rahmen zu sitzen, in dem auch der Gürtel aufgespannt ist.

  • Abb. 6 von 7 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Titulus Bildfeld III, 1: ich kan side tregen

    Auch dieser Satz kann wörtlich übersetzt werden, was dann so viel bedeutet, wie "Ich kann Seide tragen (als Kleidungsstück)" oder freier: "Seide sieht gut an mir aus"

  • Abb. 7 von 7 - Bildquelle: Franz-Josef Stiele-Werdermann, Konstanz

    Titulus Bildfeld I, 4: werch kan ich wol rîben

    Auch das Wort rîben beschreibt zunächst einen Handwerksvorgang. Jedoch stiftet das Wort in seiner ambivalenten Bedeutung im Sinne von "frottieren (im Bade)" auch einen Bezug auf die im letzten Bild dargestellte Badehaus-Szene (III, 7).