Minnelesart - Bild

Die Gender-Dimension der Bilder lässt sich jedoch noch anders wenden: Nicht als von männlichen Theologen für Frauen propagiertes Tugendideal, sondern als Spiel mit erotischen Vorstellungen, die im Bild freigesetzt werden. Die Betrachtung der Weberinnenfresken innerhalb eines Minne-Diskurses, der um die Anmut und Schönheit der Geliebten, aber auch um deren (Un)Erreichbarkeit und die körperliche Erfüllung kreist, erweist sich als äußerst ergiebig. Die Lesart wird bildintern vor allem durch die stets überbetonte Körpernähe der Handgriffe, die Analogiebildung von Material und Körperteil(en) sowie die Inhalte der letzten drei Bildfelder provoziert. Vergleiche mit Darstellungen entsprechender Handwerkstätigkeiten zeigen, dass die Konstanzer Weberinnen die Werkzeuge grundsätzlich (zu) nah am Körper halten. Hinzu kommen auffällige Positionen der Geräte zwischen den Beinen, auf dem Schoß oder in Brusthöhe. Die dargestellte Technik der Tuchproduktion lässt somit auch an Techniken der (körperlichen) Liebe denken.

Auch in schriftlichen Minnelehren und ihrer Illustration kann die Kunkel zu einem wichtigen Attribut werden, mit dem die Frau Begehren auslöst, aber auch gegen Zudringlichkeiten gerüstet scheint (Abb. 1). Neuzeitliche Verordnungen zeigen, dass die Spinnstube zur Gefahr für die strikte Trennung der Geschlechter werden konnte. In einer drastischen Darstellung von Beham Bartel aus dem 16. Jahrhunderts wird sie sogar zum Schauplatz eines bordellartigen Treibens (Abb. 2).